Wie geht es weiter
und wie läuft das Insolvenzverfahren ab?
Phase 1: Außergerichtlicher Einigungsversuch
Seien Sie offen und
ehrlich zu Ihrem Schuldnerberater. Man
kann ihm vertrauen, man muss ihm vertrauen. Alle Ihre persönlichen
Angaben
werden strikt gemäß Datenschutzgesetz behandelt.
Der wichtigste Punkt, der
zu klären ist, ist, ob das neue
Verbraucher-Insolvenz-Verfahren für Sie in Frage kommt. Das ist in der
Regel
dann der Fall, wenn Sie zahlungsunfähig sind oder kurz vor der
Zahlungsunfähigkeit stehen. Unter Zahlungsunfähigkeit versteht man,
dass man
nicht mehr in der Lage ist, seinen finanziellen Verpflichtungen
nachzukommen.
Zunächst verschafft sich
der Schuldnerberater einen
Überblick über Ihre Situation. Dann überprüft er, ob die Forderung
jedes
einzelnen Gläubigers richtig berechnet ist, was Zinsen, Auslagen und
Gebühren
betrifft. Was zuviel gefordert wird, wird reklamiert. Oft stellt sich
auch
heraus, dass bestimmte Forderungen bereits verjährt sind!
Schließlich erörtert er
die Lage mit Ihnen. Und macht
Lösungsvorschläge.
Wenn Sie dem so genannten
Schuldenbereinigungsplan
zugestimmt haben, werden sämtliche Gläubiger angeschrieben. Dabei wird
allen
ein – im Verhältnis gesehen – identisches Vergleichsangebot gemacht. Im
Grunde
läuft jeder Kompromissversuch darauf hinaus, dass der Gläubiger auf
einen (mehr
oder weniger großen) Teil seiner Forderung verzichtet, wofür er im
Gegenzug
eine bestimmte Einmalsumme (sofern vorhanden) oder wieder regelmäßige
Raten
(aber nur für max. 6 Jahre) bekommt. Statt gar nichts bzw. erst in
ferner
Zukunft bekommt er nun einen Teil seines Geldes kurzfristig wieder
zurück.
Alle Gläubiger erhalten
eine Kopie des Gläubiger- und
Forderungsverzeichnisses. Aus Datenschutzgründen und damit sich die
Gläubiger
nicht untereinander abstimmen können, enthält es keine Namen, sondern
nur
fortlaufende Nummern (Spalte 1). In Spalte 2 steht die Forderung des
einzelnen
Gläubigers, wobei Spalte 3 in Prozent aussagt, wie hoch die
Einzelforderung im
Verhältnis zur Gesamtforderung aller Gläubiger steht. Aus Spalte 4 und
5 kann
jeder Gläubiger ersehen, wie viel er zu erwarten hat – in Euro und in
Prozent.
Der außergerichtliche
Einigungsversuch ist
Grundvoraussetzung für die eventuell folgende zweite Phase, die
gerichtliche.
Der Schuldenbereinigungsplan muss ernsthaft sein.
Es geht also nicht, dass
man irgendein lächerliches Angebot
macht oder mal mit ein paar Gläubigern telefoniert, nur um die
Voraussetzung
für die zweite Phase zu erfüllen und darauf zu hoffen, dass der
Insolvenzrichter „es schon richten“ wird und sogar noch
Restschuldbefreiung
gewährt.
Der
Schuldenbereinigungsplan muss auch konkret sein:
Er muss enthalten, was Sie wünschen – also z.B. Stundung, neue Raten,
Teilerlass usw. – und er muss den Vorschlag genau beziffern.
Dabei ist ein genauer
Zeitplan vorzuschlagen.
Aber all dies macht der
Schuldnerberater für Sie. Das
außergerichtliche Vergleichsangebot an die einzelnen Gläubiger muss
formellen
und juristischen Standards genügen. Das können Sie als Laie kaum,
obwohl Sie
das Recht haben, den außergerichtlichen Einigungsversuch selbst
durchzuführen.
Also besser mit Fachmann.
Die gemachten Vorschläge
an die Gläubiger sind mit Ihnen
abgestimmt und nehmen auf Ihre finanzielle Lage Rücksicht. Er weiß, wie
es geht
– und er weiß, was geht, also wie weit man bei den Vorschlägen gehen
kann.
So ist es beispielsweise
nicht selten, dass den Gläubigern
jeweils 50% der ursprünglichen Schuldsumme als Einmalzahlung angeboten
wird –
unter der Voraussetzung, dass sie auf den Rest verzichten.
Gegebenenfalls kann
auch eine weitaus kleinere Quote möglich sein! Natürlich unter der
Voraussetzung, dass das entsprechende Kapital zur Verfügung steht
(vielleicht
hilft ein Verwandter oder Freund aus oder die Firma gewährt ein
Arbeitgeber-Darlehen).
Falls dies nicht
praktikabel ist, wird ein Vergleichsangebot
auf monatlicher Ratenzahlungsbasis gemacht. Auch hier lautet das
Prinzip: Den
Gläubigern wird ein Teil angeboten, wenn sie auf den Rest verzichten.
Kein Witz: Der
Null-Euro-Vergleich
Zwar muss – wie oben erwähnt – der
Vergleichsvorschlag an die Gläubiger ernsthaft sein, aber dennoch ist
eine
Strategie möglich, bei der den Gläubigern sage und schreibe null Euro
angeboten
werden! Man spricht hier vom so genannten Null-Plan, der sogar
gerichtlich
anerkannt ist.
Die
Argumentation ist ganz einfach: Der Schuldner ist absolut
zahlungsunfähig. Es ist kein Vermögen vorhanden und das Einkommen liegt
am
Existenzminimum bzw. unterhalb der Pfändungsfreigrenzen.
Somit
wäre es für die Gläubiger
vorteilhafter, auf sämtliche Forderungen schriftlich zu verzichten.
Denn
andernfalls stellt der Schuldner Antrag auf Eröffnung des
Verbraucher-Insolvenz-Verfahrens und damit würden sich die Gläubiger
schlechter
stellen. Beim Schuldner ist nichts zu holen, aber es fallen
Verfahrenskosten
an... Damit wäre die Annahme des Nullplans
die günstigere Lösung!!
Wieso
ein Nullplan möglich ist? Weil
auch Schuldner ohne jegliches Vermögen nicht von der
Restschuldbefreiung
ausgeschlossen werden dürfen.
Die Reaktionen der
Gläubiger
Die Reaktionen Ihrer Gläubiger sind
in der Regel sehr unterschiedlich: einige akzeptieren gleich, andere
wollen
nachbessern, andere lehnen schroff ab. Nehmen Sie heftige Reaktionen
nicht
persönlich; sie sind ja durchaus auch verständlich. Lassen Sie sich
nicht zu
ebenso heftigen Gegenreaktionen hinreißen, sondern behalten Sie immer
das Ziel
im Auge: die Restschuldbefreiung. Vergessen Sie nie, dass Ihre Position
viel
stärker ist als früher:
Recht groß ist der Druck
auf die
Gläubiger, verzichten zu müssen, seit es das neue Insolvenzrecht gibt.
Denn
wenn sie es nicht freiwillig tun, eröffnet der Schuldner die zweite,
die
gerichtliche Phase des Insolvenzverfahrens. Und das hat schwerwiegende
Nachteile für sie. Sofern die Voraussetzungen gegeben sind, zwingt der
Richter
ihnen einen Vergleich auf. Dabei hält er sich in der Regel an den
ursprünglichen Schuldenbereinigungsplan.
Und was bedeutet das für
die
Gläubiger? Sie bekommen das gleiche Geld, haben aber nun
Verfahrenskosten zu
tragen. Und der vom Gericht eingesetzte Treuhänder erhält auch eine
Vergütung.
Ihnen wird also nicht mehr zugesprochen – im Gegenteil, sie haben
weniger als
vorher...
WICHTIG: Der
außergerichtliche Einigungsversuch muss ernsthaft versucht worden sein,
sonst
lehnt das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
ab! Jedem
Gläubiger muss ein identisches Angebot gemacht worden sein.
Während des
Verfahrens darf der Schuldner auch folgendes nicht:
- Keine neuen
Schulden machen
- Keine
eigenmächtigen Ratenvereinbarungen treffen
- Keine
Umschuldungen vornehmen.
Was ist ausgeschlossen?
Es
gibt
Ausschlüsse! Nicht von allen Schulden kann man sich mittels
Verbraucher-Insolvenz-Verfahren befreien.
Ausgeschlossen
sind alle Schulden, die aus vorsätzlich begangenen Straftaten und
Ordnungswidrigkeiten herrühren: Bußgelder,
Geldbußen, Geldstrafen, Ordnungsgelder,
Zwangsgelder.
Ausgeschlossen
sind auch finanzielle Nebenfolgen aus einer Straftat bzw.
Ordnungswidrigkeit,
z.B. Schmerzensgeld, Schadenersatz.
Ausgeschlossen
sind ebenfalls Schulden, die innerhalb eines Jahres vor Eröffnung des
Verbraucher-Insolvenz-Verfahrens gemacht wurden, indem Vermögen
verprasst
wurde.
Ausgeschlossen
sind neue Schulden, die während der Wohlverhaltensperiode gemacht
wurden.
Ausgeschlossen
sind ebenso zinslose Darlehen, die gewährt wurden, um die
Insolvenzverfahrenskosten zu decken.
Nicht
ausgeschlossen sind dagegen Steuerschulden. Selbst rückständige
Umsatzsteuer
muss das Finanzamt in die Restschuldbefreiung gehen lassen.
Was aber,
wenn die Steuerschulden aus Steuerhinterziehung entstanden? Oftmals ist
ja der
Steuerschuldenberg nach der Aufdeckung so hoch, dass ihn der
Betreffende gar
nicht mehr abtragen kann. Interessanterweise geht die Rechtsprechung
mit
pleitegegangenen Steuerhinterziehern recht milde um! Die
Finanzverwaltung
argumentiert, dass es sich bei hinterzogenen Steuern sozusagen um
Gewinne aus
einer Straftat handelt und deshalb nicht in eine
Privatinsolvenz/Regelinsolvenz
einfließen dürfen. Nachdem manche untere Finanzgerichte sich dieser
Auffassung
anschlossen, andere aber nicht, hat schließlich der Bundesfinanzhof die
Frage
entscheiden müssen (Az.: VII R 6/07).
Überraschenderweise zugunsten der
Steuersünder.
Der BFH sieht die Sache
so: Bei Straftaten wie Betrug oder
Raub hat das Opfer einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß Bürgerlichem
Gesetzbuch. Bei Steuerhinterziehung hat das Finanzamt aber überhaupt
keinen Anspruch
auf Schadensersatz (das BGB sieht das nicht vor), sondern hat nur
Anspruch auf
die zugrunde liegende Steuer; ein Anspruch, der übrigens bereits vor
der Tat
bestand.
Es handelt
sich zwar um eine höchstrichterliche Entscheidung, aber wie lange sie
Bestand
haben wird, ist fraglich. Denn einerseits gibt es ja noch den
Bundesgerichtshof, andererseits plant die Bundesregierung bereits, die
Insolvenzordnung entsprechend anzupassen. Demnach sollen Schuldner, die
wegen
einer Straftat zu mindestens 90 Tagessätzen verurteilt wurden, von der
Restschuldbefreiung ausgeschlossen werden. Steuerhinterziehung soll
ausdrücklich dazugehören. Vielleicht bleibt nur kleinen Steuersündern
diese Tür
noch offen. Erkundigen Sie sich im Falle eines Falles nach der
aktuellen
Rechtslage, die sich nach der Drucklegung dieses Buches geändert haben
kann.
ACHTUNG
EINKOMMENSSTEUER:
Bei
Verheirateten, die gemeinsam veranlagt werden, besteht die Gefahr, dass
das
Finanzamt die volle Einkommenssteuerschuld vom Ehegatten einfordert und
sie
somit nicht über das Privatinsolvenzverfahren abgewickelt werden kann!
ACHTUNG
SOZIALVERSICHERUNGSBEITRÄGE:
Ganz
gefährlich sind unbezahlte Sozialversicherungsbeiträge, die der
Schuldner als
Arbeitgeber nicht abgeführt hat. Dies ist eine Straftat und wie alle vorsätzlich begangenen
unerlaubten Handlungen sind sie von der Restschuldbefreiung
ausgeschlossen (siehe oben). Ein automatisches Strafverfahren blüht
obendrein.
Was geschieht, wenn ein
Teil der Gläubiger nicht kompomissbereit ist?
Der außergerichtliche Einigungsversuch ist erst
dann erfolgreich abgeschlossen, wenn ihm alle Gläubiger zugestimmt
haben. Einstimmigkeit ist zwingend erforderlich. Kommt sie nicht
zustande, kann
Ihr Schuldnerberater die Verweigerer nochmals anschreiben und darlegen,
dass
fast alle zugestimmt haben. Er wird argumentieren, dass eine weitere
Ablehnung
des Vergleichsvorschlages nicht mehr bringt, sondern weniger, weil neue
Kosten
entstehen, die vom zu verteilenden Geld erst noch abgezogen werden
müssen.
Lassen sich die Letzten immer noch nicht umstimmen, geht’s in die
zweite Phase,
also vors Insolvenzgericht.
Was
geschieht, wenn alle Gläubiger kompromissbereit sind?
Nehmen alle
Gläubiger den Schuldenbereinigungsplan an, ist der Fall abgeschlossen
und die
(gerichtliche) Phase 2 kommt nicht zum Tragen. Denn alle Gläubiger
stimmten
schriftlich dem Vergleich zu, dass der Schuldner zum Beispiel 20% zahlt
– egal
ob als Einmalbetrag oder festgelegten Raten – und sie dafür auf die
restlichen
80% verzichten. Kommt der Schuldner seiner Zahlungspflicht vollständig
nach,
ist er seine Restschulden los.
Der
Schuldner muss nun dafür Sorge tragen, dass die vereinbarten Zahlungen
regelmäßig und pünktlich bei jedem Gläubiger eintreffen, am besten per
Dauerauftrag.
Das
Gesetz verbietet übrigens auch Sonderbehandlungen. Alle Gläubiger
müssen die
gleiche Quote bekommen. Wenn alle sich mit 10% zufrieden geben, darf
ein
einzelner nicht 20% erhalten.
HIER
GEHT ES ZU: Phase 2 (Gerichtlicher Einigungsversuch)
HIER
GEHT ES ZU: Phase 3 (Eröffnung des Insolvenzverfahrens)
HIER
GEHT ES ZU: Phase 4 (Die Wohlverhaltensperiode)
HIER
GEHT ES ZU: Phase 5 (Die Restschuldbefreiung)
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